Strukturelle Diskriminierung als Alltagserfahrung. EUmigra-Gesprächsrunde "Europa ist in Magdeburg" legt neuralgischen Punkt offen

EUmigra (AGSA e.V.)

„Uns fehlen die Zugänge zu Sprachkursen, wir vermissen immer wieder Willkommenskultur in Behörden und Ämtern und nötige Informationen erhalten wir so gut wie nie in unserer Muttersprache. Da ist es nicht verwunderlich, dass viele unserer europäischen Landsleute ihre Rechte gar nicht kennen.“
So wie M. Rupprecht, die seit 25 Jahren in Sachsen-Anhalt lebt und sich ehrenamtlich einsetzt für ihre bulgarische Community, geht es vielen EU-Angehörigen – in Deutschland und in Sachsen-Anhalt. Einige von ihnen kamen in der offenen Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Aktionswoche "Eine Stadt für alle" mit ihren Erfahrungen direkt zu Wort. "Europa ist in Magdeburg. Perspektiven auf EU-Zuwanderung in Magdeburg und Sachsen-Anhalt" lautete der Titel der Veranstaltung, zu der das AGSA-Projekt EUmigra eingeladen hatte und der zahlreiche Interessierte Gäste aus vielen Bereichen zwischen Haupt- und Ehrenamt gefolgt waren.

EU-Bürgerinnen und EU-Bürger trifft strukturelle Diskriminierung offenbar besonders oft. Sie sind im Rahmen der  EU-Freizügigkeit zumeist wegen der Arbeit hier. Ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland ist an Erwerbstätigkeit gebunden. Die Regel ist, dass sie in prekären Beschäftigungen tätig sind, zumeist unter dem Niveau ihrer tatsächlichen Qualifikation, die Anerkennung ihrer fachlichen Nachweise aus dem Heimatland ist üblicherweise bürokratisch aufwendig und mit Kosten verbunden. Für die Weiterbildung liegen viele Steine auf dem Weg, schon die sprachliche steckt in einer Sackgasse: Wer als EU-Arbeitnehmer hier tätig ist, hat höchstens nach Feierabend Zeit für einen Sprachkurs. Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für das Sprachenlernen? Das kommt für viele Fachkräfte aus dem EU-Ausland nicht in Frage. So bleibt das bestimmende Gefühl, statt willkommen permanent benachteiligt zu sein, und das, obwohl der Anteil der EU-Arbeitnehmer an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der höchste ist unter den Menschen ohne deutschen Pass und das Land die Bekämpfung des Fachkräftemangels als gesamtgesellschaftliche Priorität ausgerufen hat. Wie passt das zusammen?

Die Schilderungen von Studenten, haupt- und ehrenamtlich Engagierten legten offen: Mit den fehlenden Zugängen zu sprachlichen Integrationsangeboten und den ein-geschränkten Möglichkeiten in der beruflichen Entwicklung und Weiterbildung ergeben sich erhebliche Barrieren in der beruflichen und persönlichen Entwicklung, die Einfluss auf die langfristigen Planungsperspektiven haben. Die Erfahrung, nicht willkommen zu sein, spiegelt den Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, der beispielsweise mit den immer wieder fehlenden Informationen in europäischen Sprachen seinen Ausdruck im Alltag findet – zwischen Ausländerbehörde und Jobcenter.

Die Rückmeldungen aus dem AGSA-Themenforum zeigten somit einmal mehr einen blinden Fleck im Integrationsmanagement auf. Fortschritten im Kleinen stehen ausbleibende Schritte der interkulturellen Öffnung im Großen gegenüber. Das aber steht konträr zu den Anstrengungen des Landes und seinen Bemühungen, durch eine modern aufgestellte Integrationspolitik für Gleichbehandlung zu sorgen auf jeder Ebene der gesellschaftlichen Interaktionen. "Wir haben mit der EUmigra Fach- und Servicestelle ein wertvolles Instrument, um auf Formen der strukturellen Diskriminierung hinzuweisen und Bewegung in den Abbau solcher Hürden zu bringen", bilanzierte Projektleiter Ernst Stöckmann das Diskussionsergebnis der Runde. "Die heutigen Schilderungen führen uns erneut drastisch vor AUgen, wie viel Sensibilisierung und Unterstützung im Sinn der Gleichbehandlung unserer EU-Bürger noch nötig sind."

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